Bronzemedaille bei den U-23-Weltmeisterschaften im Rudern
Anne Dietrich vom Ruderclub Eilenburg steht wieder auf WM-Podest mit ihren Achter-Kameradinnen
Auch im zweiten U-23-Jahr war der Weg für Anne Dietrich vom Ruderclub Eilenburg bis zur festen Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft alles andere als ein Kinderspiel. Neben den Mühen auf sportlichem Gebiet musste Anne am Sportgymnasium in Leipzig unter Beweis stellen, dass sie nicht nur in der Lage ist, unter schwierigen Bedingungen hart und erfolgreich zu trainieren. Parallel zum Training waren Punkte und Prüfungsergebnisse für das Abitur zu erarbeiten. Zwar wusste Anne, dass sie das Abitur mit 1,6 bestanden hatte, aber ob sie das Zeugnis dazu gemeinsam mit ihren Klassenkameraden bekommen würde, stand zunächst in den Sternen. Kaum waren die Abiturergebnisse bekannt, musste Anne ins Trainingslager des Deutschen Ruderverbandes für die Vorbereitung seiner U-23-Nationalmannschaft auf die diesjährigen Weltmeisterschaften nach Ratzeburg reisen und dort hatten natürlich die Trainer das Sagen. Immerhin gab es für die Abiturientin einen 48-Stunden-Urlaub, in dem sie nach Leipzig zum Abiball fahren konnte. Nach dem mehr als zweiwöchigen Trainingslager machten sich die Rudersportler auf in diesem Metier eher ungewöhnliche Art auf den Weg zur diesjährigen Weltmeisterschaft der U-23-Ruderer. Mit der Bahn reisten die jungen Leute und ihre Trainer nach Linz. Dort, an einem Nebenarm der Donau, hatten die Organisatoren aus Oberösterreich unter äußerst widrigen Bedingungen nach den katastrophalen Überschwemmungen der letzten Wochen dafür gesorgt, dass die Regattastrecke und die gesamte Infrastruktur wieder Weltmeisterschaftsniveau bekam. Die mehr als 800 Ruderinnen und Ruderer aus der ganzen Welt konnten vier Tage lang ein Rudererfest allererster Güte „feiern“.
War es für Anne und ihre Achter-Kameradinnen bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr noch problemlos, im WM-Finale zu starten, sah es jetzt schwieriger aus. Um die sechs Finalplätze bewarben sich sieben Frauenachter, neben dem deutschen die Boote aus den USA, den Niederlanden, aus Großbritannien, Weißrussland, Australien und Kanada. In zwei Vorläufen kam jeweils der Sieger sofort ins Finale, die anderen Platzierten mussten im Hoffnungslauf um die restlichen vier Plätze kämpfen und würden somit beim Kampf um die Medaillen ein Rennen mehr auf dem „Buckel“ haben. Im Vorlauf hatten sich die deutschen Damen mit denen aus den USA und aus Kanada auseinanderzusetzen. Die Deutschen bemühten sich redlich, hatten aber vom Start an keine Chance gegen die souveränen 2012-er Weltmeisterinnen aus den USA. Da war es ein schwacher Trost, mit einer besseren Zeit als die Britinnen über die Strecke gekommen zu sein - die Damen von der Insel besiegten sicher die Konkurrenz in ihrem Vorlauf. Werner Nowak, Co-Trainer des Deutschlandachter und hier Cheftrainer des U-23-Frauenachters stimmte seine Schützlinge mit der Devise „Mit heißem Herz und kühlem Kopf“ auf das Rennen am Freitag ein. Ob die acht Ruderinnen und ihre Steuerfrau zu aufgeregt waren? Statt, wie erwartet, das 5-Boote-Feld zu dominieren, lag der deutsche Achter bei 1.000 m nur auf dem dritten Platz. Es fehlten fast zwei Sekunden bis zu den beiden führenden Booten aus Australien und den Niederlanden, der Abstand zu den Verfolgern aus Kanada und Weißrussland war aber auch nicht größer. Erst bei 1.500 m hatten sich die Deutschen an die Spitze gesetzt, die sie dann nicht mehr abgaben. Am wettkampffreien Sonnabend ließ Trainer Nowak seine Frauen in der Mittagspause der Regatta ins Boot zu einer Trainingseinheit steigen. Inzwischen war der Zeitplan für die Finalläufe verändert worden. Eine Vorverlegung der Startzeiten schien geboten, um die Aktiven nicht dem prognostizierten Hitzrekord aussetzen zu müssen. Das bedeutete für den Finallauf der Frauenachter am Sonntag eine Startzeit kurz nach 12 Uhr. Und darauf sollten sich die deutschen Frauen mit einer Trainingsfahrt ein wenig einstellen.
Am Sonntag stand schon am Morgen eine Hitzeglocke über der Regattastrecke. Es wehte kaum ein Lufthauch durch die Donauaue, als die 48 Ruderinnen mit ihren sechs Steuerfrauen ihre Boote zum Finallauf auf das Wasser brachten. Ob die Deutschen zu aufgeregt waren? Man fühlte sich an das vergangene Jahr erinnert, als die ersten Daten nach dem Start gezeigt wurden: Der deutsche Achter lag wie damals an vorletzter Stelle. Anders als 2012 hatten aber die britischen Ruderinnen ihre Bootsspitze vor dem USamerikanischen Achter. Es war aus deutscher Sicht zum Haarausraufen - auch nach 500 m hatte sich an der Position der Deutschen nichts geändert, das USA-Boot lag inzwischen schon an der Spitze und schien durch niemanden mehr aufzuhalten zu sein. Das Feld danach kontrollierten die Britinnen. Endlich, bei 1000 m hauten die deutschen Frauen - inzwischen auf Platz 4 - in die Riemen, kamen immer näher an die Australierinnen heran, lagen bei 1500 m schon mit 2 Sekunden vor ihnen und bauten den Vorsprung bis ins Ziel auf 7 Sekunden aus. Jeden Angriff auf die an zweiter Stelle rudernden Frauen von der britischen Insel konterten diese und ließen es nicht wieder zu einer Endspurtschlappe wie im letzten Jahr kommen. Am Ende siegten die neun Sportlerinnen aus den USA klar vor denen aus Großbritannien. Mit zwei Sekunden Rückstand und einem sicheren Vorsprung vor den Booten aus Australien, Kanada und den Niederlanden wurden die Frauen aus Halle, Crefeld, Neuss, Lauinigen, Mainz, Dorsten, Ulm und Eilenburg Dritte, bescherten sich und dem Deutschen Ruderverband eine Bronzemedaille bei diesen Weltmeisterschaften der Ruderinnen und Ruderer, die noch nicht 23 Jahre alt sind und wohl bald um die Teilnahme an olympischen Regatten kämpfen werden. Viele Dietrichsche Familienmitglieder haben ihre Anne von der Tribüne in Linz- Ottensheim aus angefeuert. Mit ihnen und den anderen Familienmitgliedern aus Kospa freuen sich auch die Mitglieder vom Ruderclub Eilenburg über den hart erkämpften Medaillengewinn bei der Weltmeisterschaft.
Dr. Michael Hirschfeld